Online-Vortragsreihe: Klassiker politischer Ideen: was sagen sie uns heute?

mit Prof. Dr. Gernot Graeßner, Euro-FH, Hamburg
Mittwoch, 16.06.2021: Industrialisierung – Tocqueville, Marx

Im fünften Vortrag werden zwei Positionen zum Verhältnis von ökonomischer Entwicklung, politischer Freiheit und Gerechtigkeit und daraus resultierender Staats- und Regierungsformen besprochen.
Das 19. Jahrhundert war, insbesondere von England ausgehend, gekennzeichnet durch die Entwicklung des bürgerlichen Liberalismus vor dem Hintergrund der Industrialisierung. Das Jahrhundert war durch die Folgen der Französischen Revolution charakterisiert. In den noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika entstanden neue politischen Strukturen. Als widerstreitende Repräsentanten unterschiedlicher politischer Ansätze können Tocqueville (1805-1859) mit seinen Beobachtungen einer kulturell verstandenen Mehrheitsdemokratie und Marx (1818-1883) als soziologischer und philosophischer Kritiker der aus dem Kapitalismus entstehenden politischen Strukturen bezeichnet werden.
Die Marx’sche Philosophie und Geschichtsdeutung war von einer „Utopie des Kommunismus“ motiviert. Von ihr ist wenig übriggeblieben. Dennoch sind bis heute Marx’ Analysen der Sozialstruktur von Bedeutung. Dies betrifft z. B. die Debatten um die politischen Wirkungen, wenn die Arbeit der Menschen als Ware betrachtet wird, ebenso um die Debatten um die soziale Verteilung von Eigentum. Bis heute gibt Marx mit seinen Beobachtungen Anregungen in der Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn infolge der Ansammlung von Kapitel nicht mehr der Verkehr von Gütern die Wirtschaft antreibt, sondern die Flucht in das Kapital, wie es in den Finanzkrisen seit Beginn des 21. Jahrhunderts zu beobachten ist.
Tocqueville verkörpert den Repräsentanten einer modernen liberalen Demokratie unter den Bedingungen des Kapitalismus. Er zeigt, dass Demokratien dann funktionieren, wenn sie zwischen beiden Begriffen „Gleichheit und Freiheit“ in der Lage sind, ein gewisses Gleichgewicht herzustellen, auch vor dem Hintergrund der sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen.
Mit großer Klarheit erkennt Tocqueville die Notwendigkeit eines grundlegenden Konsenses über Institutionen und Regeln für Demokratien, und dass dieser Konsens sich nicht von allein einstellt, sondern durch ein dauerhaftes Engagement von Bürgern.
Zum Schluss des Vortrages wird noch einmal ein Rückblick auf alle besprochenen Ideengeber unter dem Aspekt ihrer Aktualität für heutige Debatten gegeben.

Übersicht

  • Start: 16. Juni 2021, 17:00
  • Ende: 16. Juni 2021, 19:00